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Erika Habenicht über: Gulda meets Piazzolla, Edition HERA02106 (im Vertrieb von Klassik Center Kassel)

Aus der Amazon.de-Redaktion
Das Swingende des Jazz, der Zauber der einheimischen Folklore und Auflösung der Grenzen zwischen den Musikstilen; das sind die hervorstechendsten Gemeinsamkeiten des argentinischen Komponisten Astor Piazzolla und des als Pianist bekannten Friedrich Gulda. Unter der Leitung von Paul Gulda, dem Sohn Friedrich Guldas, und einer aus Argentinien stammenden Musikerin wurde mit hochkarätigen Musikern eher selten zu hörende Werke mit viel Liebe zum Detail eingespielt.
Das Konzert für Violoncello und Blasorchester -- Friedrich Guldas berühmteste Komposition -- erfordert von den Künstlern viel Witz und Finesse, von dem Wechsel einer fetzigen Bigband-Melodie und einem brav-klassischen Tanzstückchen in der Ouvertüre bis hin zu einem an Jahrmarktmusik erinnernden Finale kostet das Ensemble alle von Friedrich Gulda vorgegebenen Stile aus und stürzt den Hörer somit in ein Wechselbad der musikalischen Stile.

Ebenso wie Friedrich Gulda sein Publikum mit musikalischen Grenzgängen schockierte, so war der Argentinier Astor Piazzolla in seinem Heimatland umstritten. Aufgewachsen mit der Tangomusik, die ihren Ursprung in Kneipen und Bordellen hat, schämte er sich zunächst seiner musikalischen Wurzeln, wurde aber von seiner Lehrerin Nadia Boulanger darauf gebracht, dass der Tango sein Potenzial sei. Die Musik Piazzollas ist kein tanzbarer Tango. Es ist kunstvoll arrangierte Musik, die ihren Reiz aus ständig erklingenden Tangoelementen bezieht. Mit einer großen dynamischen Pallette und rhythmischem Feingefühl erklingen Piazzollas "Vier Tango-Jahreszeiten", deren Titel dezent an Antonio Vivaldis berühmte Konzerte Die vier Jahreszeiten angelehnt ist. Lange Zeit wurde Piazzolla von den klassischen Musikern gemieden, doch zu Unrecht wie Paul Gulda zeigt, Piazzolla bedeutet spannend-traurige Musik, die dennoch voller Energie und Lebenslust ist.

--Erika Habenicht