WIESBADEN
Selten hat man die Gelegenheit,
dasselbe Stück mehrmals
hintereinander zu hören.
Die Sichtweisen unterschiedlicher Interpreten aber sind es, die Musik erst
zum Leben erwecken. In der letzten Runde des 14. Wiesbadener Bach-Wettbewerbs
gab es zwei in ihrer Anlage und Wirkung ganz verschiedene Werke zu hören,
die von ihren Interpreten höchste Einfühlung und Musikalität
erfordern. Johann Sebastian Bachs
Praeludium und Fuge in e-Moll
(BWV 548) beinhalten detailreiche Feinheiten ebenso wie wuchtige Klangschönheit.
Dagegen stand die eher selten gespielte Sonata eroica op. 94 des belgischen
Organisten und d´Indy-Schülers Joseph Jongen. Ein Orgelstück
mit prächtigen Figuren und üppigem Klangvolumen.
Drei ausgesprochen reife
Künstlerpersönlichkeiten waren in der letzten Runde angekommen
und konzertierten in der Lutherkirche. Zwölf waren insgesamt zum Wettbewerb
zugelassen worden. Martin Lutz, künstlerischer Leiter der Wiesbadener
Bachwochen, in deren Zusammenhang der Preis ausgelobt wurde, sprach in
diesem Jahr von einem außergewöhnlichen Niveau aller Teilnehmer.
Der Wiesbadener
Bachpreis gilt international
als einer der bedeutenden Auszeichnungen
seiner Art - und das, obwohl
das Preisgeld von insgesamt 5000 Euro vergleichsweise bescheiden ist. Doch
die hochkarätige Besetzung der Jury und die hohe Herausforderung durch
die vorgegebenen Stücke werten eine junge Künstlerbiografie immer
noch auf. Martin Lutz äußerte am Rande des Wettbewerbs aber
ernsthafte Bedenken, ob das hohe Niveau auch in Zukunft ohne einen höheren
finanziellen Anreiz zu halten sei. Sowohl die Organisation als auch die
Hälfte des Preisgeldes werden nach wie vor allein von der Bach-Gesellschaft
gestemmt. Die Stadtbeteiligt sich lediglich an der Dotierung des ersten
Preises in Höhe von 2500 Euro.
In diesem Jahr bestand das
Schiedsgremium aus dem Bach-Experten Wolfgang Rübsam, dem Leiter des
Cuxhavener Bachfestes, Jürgen Sonnentheil und dem schwedischen Orgelprofessor
Hans Fagius.
Als erster Preisträger
ging der englische Organist Andrew Dewar aus dem Wettbewerb heraus. Auffallend
war seine feinherb kultivierte Bach-Interpretation, mit der er einen offenen
und klaren Klang erzielte, der große Stabilität aufwies. Flink
und vorwärtstreibend gelangen ihm sehr prägnante rhythmische
Ausformulierungen. Die Sonata eroica erklang unter seinen Händen in
jubelnder Brillanz, darüber hinaus gönnte er sich im Mittelteil
ein klar abgesetztes Innehalten.
Den zweiten Platz belegte die Tschechin Linda Sitková, die vor allem
in Bachs Fuge perlend und aufregend Musik vermitteln konnte. Der drittplazierte
Michael Schneider aus Belgien hatte eine sehr ausgeglichene Fassung der
Jongen-Sonata vorgestellt.
Das Publikum entschied
sich zudem mit über 50 Prozent ebenfalls für Andrew Dewar. |