Anmerkungen Arthur Kullings 
als Arrangeur und Bearbeiter: 
 
warum gerade 12 Musiker ? 
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Die "Kleine Strauss - Edition"  

In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts entwickelte sich die Wiener Tanzmusik, hervorgegangen aus dem Menuett, dem Deutschen Tanz, dem Ländlerischen Tanz von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven, Franz Schubert und anderen Zeitgenossen zum Wiener Walzer, dessen Geburtsstunde mit den Komponisten Joseph Lanner und Johann Strauss (Vater) während der Zeit ihres Wirkens schlug.   
Beide gelten als Begründer des Wiener Walzers.   

Hinzu kamen aus Böhmen die Polka, aus Frankreich der Galopp und die Quadrille und aus Polen die Mazurka.  Waren es vorerst ausschließlich kleine Besetzungen (2 Violinen, Bass; 3 Violinen, Bass oder 2 Violinen, Viola, Bass), nach denen das tanzlustige Wien in zumeist kleinen Wirtschaftsgärten, Casinos und Etablissements sich bewegte, so wurden mit der steigenden Popularität von Joseph Lanner und Johann Strauss (Vater) auch die Säle und Orchester größer.   

Im Fasching 1826 trat Johann Strauss (Vater) mit einem Orchester  von 12 Musikern  ( 5 Streicher , 6 Bläser und Pauke) auf und im Oktober 1844 begann Johann Strauss (Sohn)  auch mit einem relativ kleinen Orchester seine große Karriere ( in seiner Eingabe beim Magistrat erwähnte der 19-jährige, junge Strauss u. a., dass er mit einem Orchester von 12-15  Mann in „Gastlocalitäten Musikunterhaltungen“ abhalten und auch  „Opernstücke“ und Concertsachen“ aufführen wolle.)  

Es gab bei den Besetzungen auch noch "Zwischengrößen".  So spielte zum Beispiel Willi Boskovsky eine ganze Reihe von Kompositionen (von Joseph Lanner, Johann Strauss (Vater), ebenso die Tanzweisen der Klassiker und von Franz Schubert) in einer 8 - Mann - Besetzung (Flöte, Klarinette, 2 Hörner und 4 Streicher) ein.   

Meine Neugier veranlasste mich, herauszufinden, wie es wohl damals im Alten Wien in dieser oder jener kleinen Orchesterbesetzung geklungen haben mag. Zu diesem Zweck gründete ich im Jahre 1972 das 12- köpfige "Alt-Wiener Strauss-Ensemble" und begann für eben jene Besetzung (3 Violinen, Viola, Cello, Bass, Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und 2 Hörner) Arrangements zu schreiben, da Originalnotenmaterial für diese Besetzung nicht mehr existierte. Ich orientierte mich anfangs am Klangbild der Einspielungen von Willi Boskovsky und studierte anhand der vorhandenen Partituren (Eulenburg und Doblinger) Strauss'sche Kompositionen.  Nach den ersten geglückten Arrangements für das "Alt-Wiener Strauss-Ensemble" waren neben Publikum und Kritik auch meine Kollegen und ich erstaunt, wie durchsichtig, transparent, ausgewogen in den Klangfarben und ausgeglichen in der Balance zwischen Streichern und Bläsern dieses 12-Mann Ensemble klingen konnte.   

Nach einiger Zeit begann ich, auch Kompositionen, die von Strauss schon für größeres Orchester konzipiert waren, für das "Alt- Wiener Strauss-Ensemble" zu instrumentieren.  Ausschlaggebend für diesen Entschluss war die Begegnung und Bekanntschaft mit Prof. Dr. Marcel Prawy, der ein Konzert des "Alt-Wiener Strauss-Ensembles" moderierte.  Er beschrieb Beispiele früherer Konzertpraxen und ließ ein Tondokument (Walze)  u. a. mit dem Frühlingsstimmen-Walzer von Johann Strauss (Sohn) in der Interpretation von Johann Strauss III (Sohn seines Bruders Eduard) und Kompositionen von Carl Michael Ziehrer (unter dessen Leitung) in einer ähnlich kleinen Besetzung erklingen.   

Dass gerade die kleine kammermusikalische Besetzung auch bei den großen Walzern und Ouvertüren viele sonst ungehörte Töne lebendig machte, wurde im Verlauf der vielen Konzerte, die wir in den über 30 Jahren unseres Bestehens durchführten, von der Kritik immer wieder bestätigt.   

Ich bemühte mich immer, im Stile und Geist der Komponisten des "Alten 'Wien und der Sträuße zu instrumentieren - was natürlich eine große Werkkenntnis voraussetzt - und erntete dafür auch von kompetenter Seite ( Prof.  Franz Mailer.  Prof.  Reichenauer, beide Wien, und von Dr. Eduard Strauss, Ur-Ur-Enkel von Johann Strauss, Vater), Beifall. So erklangen meine Arrangements unter namhaften Dirigenten - Sivio Varviso, Dennis Russel Davies, Stanislaw Skrowaczewski, u.a. an der San Franzisco Opera, Staatsoperette Dresden, Opernhaus Halle bei den Wiener Symphonikern, Berliner Philharmonikern, etc..   

In Kenntnis meiner Arrangements, sowohl durch das Live - Erlebnis im Konzertsaal als auch über unsere CD -Einspielungen, übertrug mir Prof. Mailer die Aufgabe, für die nunmehr vollendete "Neue Johann Strauss Gesamtausgabe" unter der Patronanz der Wiener Philharmoniker in Zusammenarbeit mit der Johann Strauss Gesellschaft Wien, einige nicht mehr in Orchesterfassung vorhandene Werke nach Klavierausgaben (auch für die Einspielung sämtlicher Instrumentalwerke von Johann Strauss durch "Marco - Polo") quasi als Rekonstruktion zu instrumentieren. Diese waren: Burschenlieder - Walzer, op. 55; Kaiser Alexander Huldigungsmarsch, op. 290; Faschingslieder, Walzer, op. 11; Der Liebesbrunnen, Quadrille, op. 10; Fantasiebilder, Walzer, op. 64; Faust-Quadrille, op. 277; Sträußchen, Walzer, op. 15; Elfen- Quadrille, op. 16; Wilde Rosen, Walzer, op. 42; Pawlowsk-Polka, op. 184.   

Auch bei der anschließend begonnenen Einspielung sämtlicher Werke von Josef Strauss galt es, einige nicht mehr vorhandene Partituren zu rekonstruieren.  Man übertrug mir die Aufgabe, folgende Werke von Josef Strauss zu instrumentieren:   
Vielliebchen, Polka Mazurka, op. 7; Combinationen, Walzer, op. 176; Die Nasswalderin, Polka Mazurka, op. 276; Schwarzenberg Monument - Marsch op. 210; Freigeister, Polka schnell, op. 253 und Schäfer Quadrille, op. 196.   

Seit der Übernahme der Ur-Strauss-Kapelle durch Eduard Strauss - nach dem Tode von Josef Strauss und dem Abwandern von Johann ins Reich der Operette - trat diese in Form und Besetzung als Sinfonieorchester (etwa wie bei Haydn) auf.   
Der "Alt-Wiener" Konzertpraxis und dem "Alt-Wiener" Klangbild kommt jedoch die "Kleine Strauss - Edition" am nächsten.   

Wichtig ist es, den Instrumentationsstil der einzelnen Komponisten zu treffen, möglichst ihre Vorliebe für bestimmte Klangfarben zu erkennen und dem Charakter der jeweiligen Komposition gerecht zu werden. Ich glaube, dass mir das in den bisher vorliegenden über 200 Arrangements gelungen ist.   


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The ‘Kleine Strauss Edition’ The scores of "Old Vienna Strauss Ensemble": notes by Arthur Kulling 

In the first half of the preceding century, Viennese dance-music which originated from the Minuet and the German dance, from the country dance of Joseph Haydn and works of Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven, Franz Schubert and other contemporaries, developed into the Viennese waltz.  Its fathers were the composers Joseph Lanner and Johann Strauss (the elder), it came in being during their working lives.  Both are to be considered the creators of the Viennese waltz.  In addition, the polka came from Bohemia, the galop and quadrille from France and the mazurka from Poland. 

The Viennese love dancing. At first they danced exclusively to small arrangements (2 violins, bass; 3 violins, bass or 2 violins, viola, bass) mainly in small tavern gardens, casinos and other establishments but as the popularity of Joseph Lanner and Johann Strauss (the elder) grew, so did the size of the halls and orchestras. 

At the Fasching (Mardi Gras) carnival of 1826, Johann Strauss (the elder) appeared with an orchestra of 12 musicians (5 strings, 6 wind instruments and timpani) and in October 1844 Johann Strauss (the younger) also began his great career with a relatively small orchestra.  There are also which can be played on very small forces. Willi Boskovsky (1909-1991), for example, played an entire series of arrangements (of compositions by Joseph Lanner, Johann Strauss [the elder] along with dance melodies of the classical composers and Franz Schubert) with an ensemble of 8 (flute, clarinet, 2 horns and 4 strings). 

My curiosity compelled me to investigate how it might have sounded then in old Vienna with small orchestral ensembles of varying composition.  For this purpose I founded the Old Vienna Strauss Ensemble in 1972 with 12 members and I began to write arrangements for precisely that combination (3 violins, viola, cello, bass, flute, oboe, clarinet, bassoon and 2 horns) since original scores for it no longer existed.  At first I took my lead from the particular sound Willi Boskovsky achieved in his recordings, and made use of the available scores (by Eulenburg and Doblinger) of Strauss compositions.  After the first successful arrangements for the Old Vienna Strauss Ensemble, it was not only the audience and the critics but also my colleagues and myself who were amazed at the clarity and fullness of tone textures which this small orchestra could produce, and at the fine balance between the strings and wind.  After a time I also began to orchestrate compositions which Strauss had intended for larger ensembles so that they could be played by the Old Vienna Strauss Ensemble.  The decisive factor in this decision was my meeting and subsequent acquaintance with Professor Marcel Prawy, who was the presenter for a concert by the Old Vienna Strauss Ensemble.  He described examples of earlier concert practice and played a recording of waltzes performed by a similarly small ensemble, which included among other pieces the ‘Spring Voices’ (Frühlingsstimmen) waltzes of Johann Strauss (the younger) as interpreted by Johann Strauss III (the son of his brother, Eduard) and compositions by Carl Michael Ziehrer (conducted by Ziehrer himself). 

Translation: Hannah Bartlett and Jack Day