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Johann Strauss, Sohn
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Mit dem Begriff des "Wiener Walzers" verbindet man heute in erster Linie den Komponisten Johann Strauss Sohn. Johann Strauss Vater wird allenfalls als der "Wegbereiter" seines berühmten Sohnes angesehen, doch stehen er wie auch Joseph Lanner zu Unrecht in dessen Schatten, denn sie haben beide zur Entwicklung der Tanzmusik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Entscheidendes beigetragen: sie haben dieses Genre kunstvoll ausgearbeitet und ihm durch eigenständige, unverwechselbare Tanzformen individuelle Züge verliehen. Das emanzipierte Wiener Bürgertum des 19. Jahrhunderts war bemüht, die repräsentativen Äußerlichkeiten des Kaiserhofes für seine Verhältnisse zu adaptieren. Bälle waren nicht mehr das Privileg des Adels: in Tanzsälen, Wirtshäusern und öffentlichen Gärten fanden große Tanzveranstaltungen statt, die auch den niederen Ständen die Möglichkeit zum Amüsement boten. Jedes größere Gasthaus organisierte zur Faschingszeit mindestens einen Ball, und der Andrang war derart groß, dass immer neue Etablissements mit großen Tanzsälen entstanden. Tanzveranstaltungen mussten amtlich angemeldet werden (an Sonn- und Feiertagen waren sie grundsätzlich untersagt). Dem Staat brachten solche Lustbarkeiten erhebliche Steuereinnahmen, und auch die Musikverleger, die Tanzmusik in unzähligen Arrangements anboten, profitierten davon. Das Publikum verlangte stets nach neuen Kompositionen; die Stücke wurden nicht länger als eine Saison hindurch gespielt. Die meisten freischaffenden Komponisten ergriffen die Chance, sich mit Tanzmusik ein Zubrot zu verdienen, selbst Ludwig van Beethoven und Franz Schubert verschmähten es nicht, für dieses Genre zu komponieren. Das bürgerliche Wien tanzte am liebsten die überlieferten Volkstänze Ländler, Walzer, Polka, Galopp. In den Häusern des Adels pflegte man noch eine Zeitlang die barocken höfischen Tänze, doch wurden Menuett, Gavotte oder Sarabande bald vom Walzer verdrängt. Im 18. Jahrhundert waren die volkstümlichen Tänze noch nicht klar gegeneinander abgegrenzt gewesen. Joseph Lanner und Johann Strauss Vater verliehen den Gattungen Walzer und Ländler, Marsch und Galopp einen eigenen musikalischen Charakter und eine mehr oder weniger einheitliche Form mit Introduktion, einer Folge von fünf oder sechs Tänzen und Finale; die einzelnen Abschnitte sind oft durch motivisch-thematische Verwandtschaft miteinander verbunden. Die Strauss-Söhne Johann, Josef und Eduard knüpften an dieses Formschema an und entwickelten es weiter. Johann gab den einzelnen Abschnitten unterschiedliche Ausdehnung und setzte sie zueinander in thematische Beziehung; Josef schuf sogar sinfonische Konzertwalzer, Stimmungsbilder, die mit heiteren Tänzen oft nichts gemein hatten und sich in Form und Inhalt an Liszt und Wagner anlehnen. Eduard war der kompositorisch am wenigsten Begabte unter den Brüdern, doch war er ein ausgezeichneter Dirigent; er hat die Musik Lanners, seiner Brüder und seines Vaters bis über die Jahrhundertwende hinaus gepflegt. Johann Strauss Sohn, von
1841 an Student des Polytechnikums, interessierte sich nicht sonderlich
für das trockene Rechnungswesen und wurde nach zwei Jahren wegen "disziplinarwidrigen
Verhaltens" aus der Anstalt ausgeschlossen. Auch ein Privatlehrer konnte
die Situation nicht retten: Johann schwänzte die Stunden und widmete
sich lieber der Musik. Ein Jahr lang nahm er noch Geigen- und Theorieunterricht,
dann beantragte er die polizeiliche Erlaubnis, "mit einem Orchester von
12 bis 15 Personen in Gastlokalitäten zu spielen". Am 15. Oktober
1844 gab er mit seinem Orchester ein erfolgreiches Debüt bei "Dommayer"
in Hietzing. Nach diesem ersten Auftritt boten ihm verschiedene Etablissements
die Gelegenheit, sich hören zu lassen, und wenig später erschienen
auch schon seine ersten Kompositionen beim Verlag Mechetti.
Schon 1845, mit 20 Jahren, wurde er als Nachfolger Lanners Kapellmeister des Zweiten Bürgerregiments. Bei Militärumzügen standen die Konkurrenten nun Seite an Seite: der Vater leitete seit 1834 die Kapelle des Ersten Bürgerregiments. Im Sommer 1847 wurde dann das Kriegsbeil begraben: Johann soll seinem Vater am Vorabend von dessen Namenstag ein Ständchen gebracht und ihn so versöhnt haben. Wenige Monate später, während der März-Revolution, standen sie einander jedoch politisch gegenüber - der Sohn gab seiner Sympathie für die Aufständischen mit "aktuellen" Kompositionen Ausdruck ("Revolutions-Marsch" op. 54, "Studenten-Marsch" op. 56), die vom Staat sofort verboten wurden, und musste sich wegen der öffentlichen Aufführung der Marseillaise sogar vor der Stadthauptmannschaft Wien verantworten. Dieser Schönheitsfehler in seiner Biographie sollte ihm noch Jahre nachhängen: als er 1856 um die Verleihung des Titels eines Hofballmusikdirektors ansuchte, wurde das Gesuch vom Kaiser abgelehnt. Als Vater Strauss im September
1849 starb, übernahm der Sohn sein Orchester. Zur Trauerfeier am 11.
Oktober trat er erstmals mit ihm auf; es wurde Mozarts Requiem gespielt.
Doch die Musiker lehnten den jungen Nachfolger ab, und es blieb ihm schließlich
nichts anderes übrig, als das Orchester aufzulösen neu zu organisieren.
Nach dem Tode des Vaters
suchte Strauss die Gunst des Kaiserhauses wieder zu erringen, doch trotz
der Huldigungsmärsche für Kaiser Franz Joseph und den Hochadel
hielt der Hof an seiner abweisenden Haltung fest, zumal Strauss nach wie
vor Kontakte zur Wiener Studentenschaft unterhielt. Von 1852 bis 1865 war
er Dirigent der Faschingsbälle der Jus- und der Technikstudenten.
Seine Bemühungen um das junge Publikum schlugen sich in Kompositionen
wie den "Architekten-Ball-Tänzen" (op. 36), "Paroxysmen" (op. 189)
oder "Promotionen" (op. 221) nieder.
Wegen der vielen Bälle
war die Wintersaison noch hektischer, oft wurde die Teilung der Kapelle
notwendig: Strauss dirigierte die ersten Tänze einer Veranstaltung,
übergab den Taktstock einem Subdirigenten und eilte zur nächsten.
Im Sommer 1854 traf Strauss in Bad Gastein mit einer Delegation der russischen Eisenbahngesellschaft zusammen, die ihn einlud, die Sommerkonzerte in Pawlowsk bei St. Petersburg zu übernehmen. Pawlowsk war der Sommersitz des reichen russischen Adels, daher konnte Strauss mit besonders hohen Einnahmen rechnen. Von 1856 bis 1865 verbrachte er den Sommer dort (ausgenommen 1862, das Jahr seiner Heirat, als er sich durch seinen Bruder Josef vertreten ließ), und nur ungern trat er schließlich den lukrativen Auftrag an den jüngsten Bruder Eduard ab. Die Saison in Pawlowsk dauerte von Mai bis Oktober, und seine lange Abwesenheit von Wien wurde zunächst von Josef Strauss, später auch von Eduard überbrückt. Josef brach dafür sogar seine Ingenieurslaufbahn ab. Vermutlich hat Jacques Offenbachs Operette "Die schöne Helena", die 1865 am Theater an der Wien mit großem Erfolg gegeben wurde, Johann Strauss angeregt, selbst eine Operette zu schreiben. Auch Franz von Suppés und Carl Millöckers Operetten mit Wiener Lokalkolorit scheinen bei Strauss' ersten Versuchen Pate gestanden zu haben. 1868 entstand seine erste
Operette, "Die lustigen Weiber von Wien".
Ende 1873 schrieb Strauss
innerhalb von sechs Wochen seine heute wohl berühmteste Operette "Die
Fledermaus". Richard Genée hatte sowohl am Libretto als auch an
der Musik mitgearbeitet, so dass Strauss später ein Viertel der Tantiemen
ihm überließ.
In den nächsten Jahren
entstanden drei Werke, die heute kaum oder gar nicht mehr gespielt werden:
"Cagliostro in Wien", "Prinz Methusalem" und "Blindekuh". Letzteres war
für das Theater an der Wien und auch für den Komponisten ein
finanzieller Misserfolg.
Auch Adele, Strauss' dritte Frau, arbeitete am Schaffen ihres Mannes mit, allerdings mehr im Hintergrund: 1883 brachte sie ihren Lebensgefährten mit dem ungarischen Romancier Maurus Jókai (Jókai Mór) zusammen. Jókai versprach ihm ein Operettenlibretto, "Saffi", das Strauss dann als Grundlage für den "Zigeunerbaron" verwendet hat. Zwei Jahre dauerte die Arbeit an dem neuen Werk, bis es am 24. Oktober 1885 am Theater an der Wien aufgeführt wurde und überwältigenden Erfolg hatte. Staatsoper, Wien Daraufhin
erhielt Strauss eine Reihe von Textbüchern zur Vertonung. Doch das
nächste Stück, "Simplicius" (Uraufführung am 17. 12. 1887),
erfüllte nicht die hohen Erwartungen des Publikums, und Strauss legte
eine mehrjährige "Operetten-Pause" ein. Umso größer war
das Interesse an seinem nächsten Bühnenwerk ("Der Kuss"), und
die Wiener Hofoper bot ihm an, dieses am Neujahrstag 1892 herauszubringen.
In Bad Ischl schrieb Strauss an einem neuen Stück ungarischen Kolorits: "Jabuka". Johannes Brahms, der eine Probe besuchte, soll die "gefühlvollen Stellen" als "ziemlich jämmerlich" bezeichnet haben. Immerhin erreichte dieses Werk, Vorbild für zahlreiche ungarisch inspirierte Operetten, am Theater an der Wien 57 Aufführungen. Am 15. Dezember 1894 feierte das musikalische Wien Strauss' 50jähriges Künstlerjubiläum. Der Komponist wurde mit Ehrungen überhäuft; unter anderem wurde ihm an diesem Tag die Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft der Musikfreunde verliehen. Zu dieser Zeit arbeitete er bereits an "Waldmeister"; diese Operette spielt in Dresden und stellt eine freundliche Geste gegenüber Strauss' "Wahlheimat" Sachsen dar. Brahms zeigte sich von der Orchestrierung sehr angetan, doch soll er bemerkt haben: "die Musik selbst hätte er ja früher besser gemacht". Am 13. März 1897 fand die Premiere von Strauss' letzter Operette statt. Von diesem Werk, dessen Libretto ihm aufgedrängt worden war, distanzierte sich der Komponist, er ging zur Premiere gar nicht hin. "Die Göttin der Vernunft" wurde mehr als ein Jahrzehnt später von dem ungarischen Schriftsteller Siegmund Salzmann (Pseudonym Felix Salten) neu textiert und mit dem Titel "Reiche Mädchen" herausgebracht. 1872 wurde Johann Strauss
zum "Weltfriedensfest" nach Boston eingeladen, wo er bei einem Massenkonzert
ein zweitausend Mann starkes Orchester dirigieren sollte. Mit Frau Jetty
und zwei Dienern schiffte er sich am 1. Juni in Bremen ein, nicht ohne
ein Testament zugunsten seiner Frau abgeschlossen zu haben.
Am 6. April 1873 feierte die Familie Strauss das 50jährige Bestehen ihres musikalischen "Imperiums" mit einem glanzvollen Wohltätigkeitskonzert im Musikverein, das Johann und Eduard leiteten. In diesem Jahr fand auch
die Weltausstellung in Wien statt, für die Johann den Gesangswalzer
"Bei uns z' Haus" komponierte. Johann trat auch als Dirigent in Erscheinung,
doch leitete er nicht sein eigenes Orchester, sondern eine deutsche Kapelle,
die "Wiener Ausstellungskapelle". Eduard und die Strauss-Kapelle kamen
bei der Weltausstellung nicht zum Zug und mussten mit dem Volksgarten vorliebnehmen.
Am 27. August 1862 heiratete
Johann Strauss im Stephansdom die Sängerin Jetty Treffz. Das Paar
nahm sich zunächst eine Wohnung in der Inneren Stadt (Weihburggasse
2), zog jedoch bald in die Leopoldstadt, in die Praterstraße 54,
wo sich heute das Strauss-Museum befindet.
Eduard debütierte am
5. Februar 1861 mit großem Erfolg, im April 1962 dirigierte er erstmals
ein ganzes Konzert. 1868 kauften Johann Strauss und seine Frau jenes in
Hietzing nahe dem Schlosspark Schönbrunn gelegene Haus (Wien 13, Maxingstraße
18), das sie schon seit 1862 während der Sommermonate bewohnten.
Die "Bauaufsicht" und die
Entscheidungen in allen Detailfragen überließ Strauss seiner
Frau Jetty, die jedoch die Hausweihe nicht erleben durfte - sie starb am
8. April 1878 an einem Schlaganfall und wurde auf dem Hietzinger Ortsfriedhof
(Wien 13, Maxingstraße 15) beigesetzt (Gruppe XIII, Gruft Nr. 73).
Für Johann Strauss war ihr Tod ein schwerer Schlag; der Verlust ihrer
mütterlichen Fürsorge ließ ihn völlig hilflos werden.
Er war psychisch nicht imstande, am Begräbnis seiner Frau teilzunehmen,
sondern versteckte sich währenddessen im Hietzinger Hotel Victoria
vor den Menschen.
Nach der Hochzeitsreise zog das Paar bereits in die Igelgasse Nr. 4. Angelika ("Lily") besorgte die fürstliche Einrichtung des Hauses: kostbare Möbel und Kunstgegenstände im Makart-Stil zierten die Räume der beiden Stockwerke, und der geräumige Garten erhielt einen Pavillon und einen Brunnen mit der "Donauweibchen"-Figur von Hans Gasser. Im Sommer 1880 kaufte Strauss noch eine Villa in Schönau bei Leobersdorf, die ebenfalls von seiner Frau eingerichtet wurde. Sie war ihm in vielen Dingen eine Hilfe und setzte sich auch sehr für seine Werke ein. Trotzdem war die Ehe nicht glücklich. Im Sommer 1882, während der Vorbereitungen für das nächste Bühnenwerk "Eine Nacht in Venedig" am Theater an der Wien, verließ Lily Strauss ihren Mann und zog zum Direktor des Theaters, Franz Steiner. Eine Heirat mit Hindernissen
- die dritte Ehe.....Strauss wird Bürger von Coburg...
Strauss vermachte sein gesamtes Vermögen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Die Erbschaft bestand aus Bargeld, Wertpapieren, Tantiemeneinnahmen, einigen beweglichen Besitztümern und Immobilien: Wieden, Igelgasse (Wien 4,
Johann-Strauß-Gasse 4 und 6)
Die vererbten Immobilien
waren allerdings mit Hypotheken belastet, und die Gesellschaft der Musikfreunde
musste sie nach und nach verkaufen.
Johann Strauss' Œuvre umfasst 16 Bühnenwerke, ein unvollendetes Ballett und 479 weitere gedruckte Werke, Tänze, einige Männerchöre und Lieder. Seine frühen Tänze orientierten sich noch stark am Vorbild des Vaters, aber in den großen Konzertwalzern der 50er Jahre ist der Einfluß der "neudeutschen" Schule, Franz Liszts und Richard Wagners sowie des Bruders Josef nicht zu verkennen. Sie zeichnen sich durch Differenzierung
der musikalischen Form und durch eine üppige bis schwerfällige
Orchsetrierung aus, weswegen sie von Eduard Hanslick als "Walzer-Requiem"
bezeichnet wurden.
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